Dienstag, 16. September 2014

Tendenzspiele

Ein Sieg bei Absteiger Eintracht Braunschweig, Länderspielpause, Testspielerfolg gegen Borussia Mönchengladbach, erneutes Remis im Heimspiel gegen den Karlsruher SC. 

Der VfL Bochum ist in der noch jungen, aber immerhin schon sechts Pflichtspiele alten Saison noch immer ungeschlagen, ja wurde bislang sogar nur ein einziges Testspiel in dieser Saison verloren (1:2 gegen Terek Grozny) - selbst Erstligisten wie der VfB Stuttgart, FC Schalke, VfL Wolfsburg oder Borussia Mönchengladbach haben es nicht geschafft, sei es in Pokal- oder Testspiel, den VfL zu schlagen. Ein gutes Zeichen. 
Doch ungeschlagen haben den fünften Spieltag in der 2.Bundesliga ebenfalls noch fünf weitere Mannschaften beendet, eine respektable Leistung, wenn man bedenkt, dass unter diesen Teams nicht die Top-Favoriten auf den Bundesligaaufstieg zu finden sind. Der unglückliche Relegationsverlierer Greuther Fürth sowie die beiden Bundesligaabsteiger aus Nürnberg und Braunschweig hatten nach fünf gespielten Runden schon zwei respektive drei Niderlagen einzustecken - angesichts des noch ungeschlagenen Sextetts an der Tabellenspitze eine hohe Zahl. Eine Zahl, die darauf hindeuten könnte, dass es dieses Jahr weitaus schwieriger sein kann, am Saisonende einen Aufstiegsplatz zu erreichen. Ob angesichts der starken Punkteausbeute der ersten Spieltage noch einmal 62 Punkte wie im Vorjahr dem Underdog SC Paderborn zum Bundesligaaufstieg reichen werden ist bereits Mitte September fraglich. Zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison waren jedenfalls nur die Spvgg Greuther Fürth mit vier Siegen und einem Remis und der spätere Dominator 1.FC Köln mit einem Sieg und vier Remis ungeschlagen. Die Kölner rangierten jedoch nach fünf Spielen nur auf Rang 10, was den schwach gestarteten Nürnbergern und Braunschweigern noch Hoffnung geben sollte auf eine erfolgreiche Restsaison. 
Der VfL Bochum steht nach seinem gelungenen Saisonstart mit 9 Punkten und einem mitreißenden Pokalerfolg, für den es bekanntermaßen keine Bonuspunkte gibt, auf Tabellenplatz fünf, gleichauf mit dem starken Gegner vom vergangenen Freitag, dem KSC, und unmittelbar hinter dem Führungsquartett um die Aufsteiger aus Leipzig und Darmstadt, sowie Kaiserslautern und Ingolstadt, die bereits 11 Punkte sammeln konnten! In der vergangenen Saison wäre der VfL mit seiner respektabelen Punkteausbeute noch auf Tabellenplatz zwei zu finden gewesen sein. 
13/14 vs 14/15

Doch trotz der bereits jetzt engen Tabellensituation übertrifft der Saisonstart bislang die Erwartungen. Zu Hause reicht es zwar gegen tief stehende Gegner bislang jeweils zu einem Unentschieden, in den Auswärtsspielen konnte aber das neue, starke Umschaltspiel des VfL voll überzeugen. So gelang der Truppe auch der Erfolg in dem von Trainer Peter Neururer ersten ausgerufenen "Tendenzspiel" von Braunschweig, was die Tabellenführung über die Länderspielpause einbrachte. 
Durch die enge Tabellensituation an der Spitze können jedoch auch das vergangene Heimspiel gegen den Karlsruher SC, sowie die anstehenden richtungsweisenden Spiele gegen den FSV Frankfurt, Fortuna Düsseldorf und den FC Heidenheim als solche "Tendenzspiele" angesehen werden.

Karlsruhe stärkster Gegner bisher 

Insofern darf man ganz zufrieden sein, dass die Partie gegen Karlsruhe nicht verloren wurde. Die Badener stellten bislang den stärksten Gegner des VfL und haben mit Manuel Torres auch einen der besten Einzelspieler der 2.Liga in ihren Reihen. Peter Neururer agierte gegen den Traditionsclub nach erfolgreichen Tests (u.a. konnte Borussia Mönchengladbach 4:2 bezwungen werden) erstmals in dieser Saison von Beginn in an in seinem favorisierten 4-3-3 System. Das System, das Neururer in seinen erfolgreichsten Bochumer Tagen vor gut zehn Jahren einüben ließ und damals die Abwehrreihen fast aller Bundesligisten durcheinanderwirbelte. Der Unterschied zum meistens präferierten 4-4-2 System besteht darin, dass die Flügelstürmer weiter vorne attackieren sollen, zudem mehr in den Strafraum eindringen können als in einem 4-4-2, und noch von einer klassischen "10" untersützt werden sollen. Für die Aufstellung bedeutete dies, dass Stanislav Sestak auf die rechte Angriffsposition ausweichen musste, und Yusuke Tasaka vom Flügel in die Zentrale gezogen wurde. An sich in der Theorie keine schlechte Option. Zumal das 4-3-3 System mit einer Doppelsechs (Latza-Losilla) ja grundsätzlich genügend Absicherung bietet. 
Doch der Gegner, von Trainer Kauczinski ideal auf den VfL eingestellt, erschwerte das nette Vorhaben des VfL deutlich. Die Karlsruher, die sich seit längerem in der Rolle des etwas tiefer stehenden Auswärtsteams gefallen, agierten zwar in der Sicht des Sky-Kommentators oder Sportschau-Moderators in ihrem nominell als recht offensiven 4-1-4-1 deklarierten System, doch stellt sich diese Aufstellung in der Realität des Auswärtsspiels etwas anders dar. Vor der Viererkette präsentierte nämlich Kauczinski wie erwartet ein von Friedhelm Funkel bestens bekanntes defensives 4-3-3, was bedeutet, dass neben dem angeblich einzigen Defensiven Mittelfeldspieler Dominik Peitz seine Nebenleute Reinhold Yabo und Gaetan Krebs eine "Triple-Sechs" bilden, sowie die Außenspieler Valentini und Torres in der Defensive das ganze zu einem 4-5-1 verwandeln lassen. Ein stabiles System, dass vor allem wenn der Gegner Fehler macht und man starke Leute im Umschalten hat, für die Zweite Liga ein Erfolgskonzept darstellen kann. Friedhelm Funkel erreicht mit dieser Spielweise vor dreieinhalb mit dem VfL die Relegation, in dem er oft die Abwehr durch eine Dreifach-Sechs zentral davor stärkte, und nur bei Gelegenheit, wenn der Gegner weit aufgerückt oder den Ball verloren hat, versucht hat über die Außen nach vorne zu gelangen. Ganz entscheidend neben Einzelkönnern wie Außenspieler Torres sind hierfür auch die Mittelfeldspieler, die enorm Laufstark, als auch Zweikampfstark sein müssen, sowie das schnelle Umschaltspiel beherrschen müssen. Mit Reinhold Yabo, dem Karlsruher Stadtrat, haben die Badener da einen, der das Spiel auf dieser Mischposition zwischen 6 und 8 ideal versteht. Er ist das Pendant zu Kevin Vogt, der unter Funkel immer wieder diese Rolle ausübte, dann aber in der Relegation leider verletzt ausfiel. Mit dem Unterschied, dass Yabo auch noch ein sehr feiner Fußballer ist, der auch mal ein eins-gegen-eins für sich entscheiden kann.
Ambitioniert und nicht so verrückt wie Büskens oder Tuchel: Markus Kauczinski
Torres trifft zum 0:1
 Der VfL, euphorisiert von Ergebnissen und Spielweise der Vorwochen, rann früh an, kam zu ersten Torchancen, und lief danach doch fast ins eigene Verderben. Das 4-3-3 System, bzw. 4-2-1-3 erwies sich defensiv als deutlich zu instabil, die Außenverteidiger um Stefano Celozzi und Timo Perthel, der spätestens mitte zweiter Halbzeit völlig die Orientierung verlor und durch Einzelaktionen die eigene Abwehr fast alleine killte, agierten immer im eins gegen eins, zu wenig Untersützung bekamen sie defensiv von den zu früh überspielten Außenstürmern. Immer wieder brach vor allem Torres mit seiner Schnelligkeit über die linke Defensivseite des VfL durch, und brachte mit seinen eigenen, zugegeben viel zu überhasteten Abschlüssen, oder Hereingaben Richtung Micanski die VfL-Abwehr um Michael Esser immer wieder in allerhöchste Not. Das erste, und glücklicherweise einzige Gegentor erzielte dann auch tatsächlich Manuel Torres, doch initiert wurde es über die andere Seite, als drei VfL-Verteidiger sich auf den ballführenden Karslruher Spielerstürzten, Linksverteidiger und Sohn von VfL-Legende Thomas Kempe, Dennis Kempe, unbeobachtet links liegen ließen, und der mit punktgenauer Flanke, durch die konfuse Bochumer Zentralabwehr hindurch, den Kopf von Manuel Torres fand (19.). 

Ohne gravierende Änderung, aber konzentrierter und "griffiger" kämpfte sich der VfL in der 2.Halbzeit zurück in die Partie. Nachdem Kapitän Patrick Fabian nach einer Kollision mit Reinhold Yabo noch vor der Halbzeit das Feld räumen musste, feierte der von Greuther Fürht ausgemusterte Malcolm Cacutalua ein schon etwas überraschendes Debüt. Der von Bayer Leverkusener ausgeliehene Innenverteidiger machte einen guten Eindruck. Dass neben Fabian auch Yabo die zweite Halbzeit nicht mehr vom Rasen aus erlebte, spielte dem VfL etwas in die Karten, da Yabo Ersatz Nazarov auf der Yabo-Position nicht die gleichwertige Ballsicherheit, Orientierung und Präsenz aufbieten konnte. Bochum versuchte jetzt schneller zu spielen, immer wieder versuchte man über Sestak oder Terrazzino das Tempo zu erhöhen, doch erst mit der Einwechslung von dem hochtalentierten, wenn auch etwas unorthodox fußballspielenden Michi Gregoritsch gelang die Wende in der Partie. Gregoritsch, sofort wieder als Antreiber aktiv, dribbelte sich mit seiner ersten Aktion durchs Mittelfeld, und leitete mit dieser starken Aktion den Ausgleich, der etwas glücklich über Umwege letzlich nach abgefälschter Flanke aus dem Halbfeld von Latza durch Yusuke Tasaka erzielt wurde (62.).
Der Techniker und Torjäger: Yusuke Tasaka
Der aufgrund der etlichen Konterchancen der Karlsruher etwas glückliche Ausgleich war insofern verdient, weil es dem VfL erneut gelang, in der zweiten Halbzeit einen Gang zu zu legen. Dennoch stand das Spiel bis zum Ende auf des Messers Schneide. Michael Esser hätte beinahe mit einem katastrophalen Abstoß, der viel zu kurz direkt auf Torres gespielt war, sich beinahe ein indirektes Abstoß-Eigentor eingefangen, er parierte jedoch den Schuss darauffolgenden Schuss von Nazarov. Auch wenn die Karlsruher bis zum Ende nicht locker liessen und in der zweiten Halbzeit vor allem den Jungen Cactutalua permanent im Aufbauspiel attackierten, was einerseits dem VfL etwas Raum im Mittelfeld brachte, jedoch auch die ein oder andere kristische Situation in der Abwehr, in der Cacutalua zwar die Nerven behielt, aber das ein oder andere mal, ebenso wie der dann fußballerisch unsichere Michael Esser, knapp am Ballverlust in der eigenen Hälfte vorbeirauschte. In den Schlussminuten blieben trotz offenem Schlagabtausch - der VfL hatte vier Spieler nach ganz vorne beordert! - die ganz großen Chancen aus, so dass es am Ende beim aus Sicht der Bochumer glücklichen, aber aufgrund des Aufwands in der zweiten Spielhälfte, nicht unverdienten Punktgewinns blieb.

Kann man oben dran bleiben?

Bis zum 28.9. stehen drei weitere Spieltage an - Englische Wochen in der 2.Bundesliga. Zuerst geht es zum ungeliebten Auswärtsspiel an den Bornheimer Hang nach Frankfurt, ehe es dann an einem Donnerstag Abend zum "Derby" gegen Fortuna Düsseldorf im rewirpowerSTADION kommt. Nur drei Tage später darf sich der VfL in Heidenheim mit dem ersten Aufsteiger der Saison messen. Entscheidende Wochen für die Bochumer, doch die Hoffnung, dass man die ungeschlagene Serie über diese Spiele hinaus halten kann, ist angesichts der bisher gezeigten Leistungen absolut gegeben. Dennoch wird man wieder erst nach diesen Spielen, besonders nach den beiden Auswärtsspielen bei den klassischen Zweitligisten wie Frankfurt und Heidenheim wissen, wo man sich in dieser Saison einordnen wird können. Denn schon im Vorjahr hat es die Mannschaft von Trainer Peter Neururer zustande gebracht, den ein oder anderen Favoriten zu besiegen, so konnte der VfL ja die Aufsteiger Köln und Paderborn in Bochum schlagen, und den Releganten Fürth im Auswärtsspiel. Die großen Punktverluste gab es gegen die Underdogs, speziell die Spiele, die im Frühherbst stattfinden lagen dem VfL in den vergangenen Jahren überhaupt nicht. Und dennoch sollte die Qualität, besonders in der Offensive, die immer für ein Tor gut ist, um Gregoritsch, Tasaka, Sestak, Terodde, dieses Jahr eben so hoch sein, dass man sich nicht mehr von einem kratzenden Gegner wie Sandhausen in einem herbstlichen Auswärtsspiel vor 5.000 Zuschauern die Butter vom Brot nehmen lässt. Das muss nun mal der Anspruch sein.

Glück Auf!



Eintracht Braunschweig - VfL Bochum 1848   1:2 (1:1)

31Esser - 21Celozzi, 6Simunek, 19Fabian, 24Perthel - 8Losilla, 18Latza - 10Tasaka (82. 39Gulden), 11Gregoritsch (88. 5Butscher) - 9Sestak (66. 20Cwielong), 22Terodde

0:1 Terodde 5.
1:1 Boland 17.
1:2 Terodde 77.
  • Torschüsse        13 - 15
  • Ballbesitz          56 - 44
  • Zweikämpfe      51 - 49
  • Ecken                  3 - 6
  • Fouls                 11 - 16
  • Abseits               3  - 1
  • Laufstrecke  119,3 - 120,5 
  • Zuschauer         22.275 


VfL Bochum 1848 - Karlsruher SC   1:1 (0:1)

31Esser - 21Celozzi, 6Simunek, 19Fabian (44. 4Cacutalua), 24Perthel - 8Losilla, 18Latza - 10Tasaka - 9Sestak (74. 33Forssell), 22Terodde, 7Terrazzino (62. 11Gregoritsch)

0:1 Torres 19.
1:1 Tasaka 62.
  • Torschüsse        12 - 8
  • Ballbesitz          59 - 41
  • Zweikämpfe      51 - 49
  • Ecken                  3 - 0
  • Fouls                 10 - 23
  • Abseits               - 8
  • Laufstrecke  118,4 - 123,3
  • Zuschauer         21.168

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