Sonntag, 18. November 2012

Heute Aachen, morgen Duisburg - Traditionsklubs vor dem Aus

Ich durfte vor eineinhalb Jahren am 8.April 2011 die Zweitligapartie des MSV Duisburg gegen Alemannia Aachen in der schönen MSV-Arena (Schau-ins-Land-Reisen-Arena) besuchen. Es war ein warmer Frühlingsabend, das Stadion gut gefüllt, beide Teams sportlich aller Sorgen ledig, und so entwickelte sich ein munteres, abwechslungsreiches Spielchen. Aachen spielte unter Trainer Hyballa zwar in dieser Saison 2010/11 nicht um den Aufstieg, aber man überzeugte immer mal wieder mit guten Ergebnissen. Duisburg war jedoch lange Zeit ganz weit vorne zu finden, für den damals bis zum Ende um den Aufstieg spielenden VfL ein echter Konkurrent, doch im Frühjahr verloren die Wedauer aufgrund von vielen verletzten Leistungsträgern (Maierhofer, Koch etc.) etwas an Boden - dennoch erreichte man das Pokalfinale im Mai gegen Schalke 04. Ein Riesenerfolg!
Das Spiel damals endete 3:2 für Duisburg, Goran Sukalo war schon damals trotz verschossenen Elfmeters die zentrale Figur beim MSV, für Aachen überzeugten die heutigen Bundesligaspieler Tolgay Arslan(HSV) und Zoltan Stieber(Fürth).

Heute, 19 Monate später, stehen beide Vereine vor einem Scherbenhaufen. Oder drastischer ausgedrückt: Aachen ist tot, Duisburg liegt im Sterben.

Alemannia Aachen musste die vergangenenen Tage Insolvenz anmelden. Ein schwieriger Schritt für den Traditionsklub, der immerhin vor fünf Jahren noch Bundesliga gespielt hat. Durch den Abstieg der Aachener im Vorjahr in die dritte Liga hat sich die finanzielle Lage nun soweit verschärft, dass die Alemannia Insolvenz anmelden musste und automatisch in die Regionalliga absteigen muss.
Beim MSV ist die Lage ähnlich ernst. Trotz Pokalfinale 2011 benötigt der Klub schnell Geld, bis zur drei Millionen Euro. Ein ähnliches Szenario wie in Aachen droht.

Wie konnte es soweit kommen? Im Falle der Alemannia ist das Stadion das Hauptproblem. Nach dem Bundesligaaufstieg stiegen in Aachen die Ambitionen. Nach vielen Jahrzehnten spielte die Alemannia 2006 wieder in der höchsten Deutschen Spielklasse, nach ein paar Pokalerfolgen in den Jahren zuvor schien der einstige Vizemeister von 1969 wieder angekommen. Nicht zeitgemäß erschien der alte Tivoli, das Kult-Stadion der Alemannia. Man entschied sich für den Bau eines neuen, wie sich herausgestellt hat, viel zu überdimensionierten Tivolis. 2009 zog die Alemmania in den neuen, direkt gegenüber des Alten Tivolis erbauten Fußballtempels. Doch das neue Stadion sollte kein Glück bringen. Schon das Eröffnungsspiel gegen St.Pauli ging mit 0-5 verloren. In der Folge verlor die Alemannia zunächst ihre vom alten Tivoli gefürchtete Heimstärke, in Folge dessen die Ansprüche die Rückkehr in die Bundesliga anzustreben. Schon früh drückte das Stadion auf die Finanzen, vier Millionen jährlich kostete der Kredit den "Ochern".
Tragisch dann der Abstieg in Liga drei. Schon ein solider Zweitligist kann solche Lasten kaum Tragen, ein Drittligist geht darunter zu Grunde.

Die Alemmania hat zu groß gedacht, viel zu groß. In der Regionalliga werden gewiss keine 32.000 Zuschauer ins Stadion kommen. Der alte Tivoli ist mittlerweile abgerissen, tot. Und trotzdem war der Stadionneubau doch Aachens einzige Chance, im Konzert der Großen auf Dauer mithalten zu können, oder?


Traditionsklubs zerbrechen auch an der DFL 

Alemannia Aachen stieg 2006 im alten Tivoli auf und spielte auch die Bundesligasaison im teils maroden, nicht konkurrenzfähigen Stadion. Die Bundesligisten haben durch ihre modernen Arenen, zum Teil sind sie durch die Spielortvergabe zur WM 2006 dazu gekommen, einen großen Wettbewerbsvorteil, erwwirtschaften pro Spieltag ein Vielfaches an Umsatz. Auch strömen die Zuschauer in die Stadien der Bundesliga.

Vieles kaputt am Tivoli
Zudem entwickelt sich die 1.Fußball Bundesliga immer mehr zu einem Premiumprodukt. Die Schere zwischen Erster und Zweiter Liga klaffen immer weiter auseinander. Das ist zu allererst in der Verteilung der TV-Gelder, aber auch an der exponierten Stellung der Bundesliga im Bereich der Promotion und Öffentlichkeitsdarstellung gegeben. Zu allem Überfluss erschwert die 2009 eingeführte Relegation die Durchlässigkeit der Ligen.
80% der Gelder aus dem TV-Pool gehen gestaffelt an die 18 Erstligisten, nur 20% an die Zweitligisten. Zu wenig für viele ambitionierte Zweitligisten, die hohe, teils aus Bundesligazeiten resultierende Kosten zu tragen haben, aber über mehrere Jahre nur Zweitligaeinnahmen generieren.

Trat zurück: Ex-MSV-Präsident Rüttgers
So auch der MSV Duisburg, 2008 zuletzt Bundesligist, der es danach zweimal knapp nicht schaffte, zurück zu kommen ins Fußball-Oberhaus, und in diesen Tagen sportlich wie finanziell ums Überleben kämpft. Beschleunigt hat diesen Abwärtstrend auch die Wirtschaftskrise, die im Sportsponsoring zwar kaum im Premium-Bereich Einzug hielt, aber doch im breiteren Feld des Profisports Eindruck hinterlassen hat. Nicht selten konnte Proficlubs erst sehr spät Hauptsponsoren präsentieren.


DFL könnte die Situation verbessern

Ganz klar: Pleiten gab es im Fußball schon immer, und wird es auch immer geben. Dennoch: Erwischt es Traditionsklubs, die über Jahrzehnte eine wichtige und solide Rolle gespielt haben, muss auch das System überdacht werden. Die einfachste Stellschraube, an der man drehen könnte, wäre eine andere, für alle Profiklubs fairer verteilte TV-Gelder, also eine Annäherung der Ersten Liga an die Zweiten Liga. Was natürlich die Bosse der Erstligisten wieder auf die Palme bringen wird, allen voran Uli Hoeneß, der in seinem Lieblingsthema TV-Gelder schon immer wild auf sein Recht pochte. Hoeneß war als Interessensvertreter des FC Bayern seit Urzeiten für eine Einzelvermarktung, sprich jeder Verein kann seine Spiele selbst verkaufen. Hoeneß erhoffte sich dadurch höhere Einnahmen für seinen FC Bayern, da dessen Spiele im allgemeinen attraktiver sind und einen höheren Wert haben als er derzeit als Teil der Gesamtvermarktung erhält. Er argumentierte mit den Summen, die die englischen oder spanischen Spitzenteams erhalten und dass es für den FC Bayern unmöglich sei, dagegen zu konkurrieren.

Mittlerweile hat sich die Situation aber geändert, der deutsche Fußball steht mit an der internationalen Spitze, der FC Bayern hat bewiesen, auch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ins Finale der Champions League zu gelangen. Ob das auch möglich wäre, würde der FC Bayern auf ein bis zwei Millionen aus dem TV-Topf verzichten? Man darf es zumindest vermuten.


Es muss etwas getan werden - denn die derzeitige Qualität des deutschen Vereinsfußballs auf internationaler Ebene ist wirklich erfreulich - jedoch ist der Preis dafür hoch: Viele in die Bundesliga strebende Traditionsklubs aus Liga 2 fahren gegen die Wand. Und ein neuer Rekordumsatz des FC Bayern, wie er die Tage präsentiert wurde, ist schön, ist ein Verdienst des großartig geführten Vereins, aber auch das Paradebeispiel der Lücke, die im Fußball entstanden ist - und eigentlich auch ein Beispiel, dass es den großen Klubs kaum schmerzen würde, wenn man aus dem gemeinschaftlichen Geld-Pool die Mittel etwas anders verteilen würde.


Man möge hoffen, dass nach Bielfeld, Aachen und Duisburg nicht der VfL der nächste marode NRW-Traditionsklub sein wird. Das Glück des VfL, was einst als große Schwäche angesehen wurde: Man hat nie ein neues Stadion gebaut/bauen müssen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen