Mittwoch, 28. November 2012

Wie Aue nur ohne Schnee - Bochum geht gegen FSV Frankfurt unter - VfL kraft- und konzeptlos

Neun Tage ist er her, der 18.November. Damals, als Michael Schumacher noch Formel-1 Rennen fuhr gewann der VfL Bochum mit 5:2 gegen den SV Sandhausen. Ein Befreiungsschlag dachten die meisten, die den VfL nur flüchtig verfolgen. Diejenigen, die näher am Verein sind, waren sich bewusst dass ein überzeugender Sieg beim VfL noch lange keinen Sommer macht - dass man aber innerhalb von neun Tagen jedoch wieder derart neben der Spur steht, das hätten sich auch die schlimmsten Pessimisten im zurecht kritischen VfL-Umfeld nicht vorstellen können.

Was ist seitdem vorgefallen? Wie kann es sein, dass eine Mannschaft, die unter Interimstrainer Neitzel erst das Kämpfen (Cottbus), dann das Punkten (St.Pauli) und gegen Sandhausen auch das Spielen wieder erlernt hat, innerhalb von nur neun Tagen zuerst das Konzept (Köln) und nun auch jegliche Professionalität verloren hat?

Der VfL zeigte gegen die aus Frankfurt-Bornheim angereisten Gäste eine Nicht-Leistung, die schwer an die Partie in Aue erinnerte. Es passte nichts, aber auch gar nichts zusammen. Das derzeit größte Problem, zumindest wurde das von Coach Neitzel erkannt, ist das Zweikampfverhalten in der Defensive. Im Mittelfeld werden kaum Zweikämpfe gewonnen, ein schnelles Umschaltspiel ist folglich fast unmöglich. Die Passivität im Rückwärtsgang, schon in der Vorsaison deutlich zu erkennen, ermöglicht den Gegner viel zu viel Raum zum kombinieren, oftmals kann der VfL fast eine Minuten lang den Ball nicht für sich erobern - indiskutabel. Selbst Jonas Acquistapace, sonst noch einer der Zweikampffesteren Bochumer, lässt sich von dem durchgeführten Nichtangriffspakt anstecken und öffnete Ende erster Halbzeit dem Frankfurter Yannick Stark Tür und Tor. Vieles erinnert im Abwehrverhalten an eine Szene die über zweieinhalb Jahr zurück liegt, als Kapitän Maltritz in einem vorentscheidenden Spiel gegen den Abstieg in Köln den zum Pressing ansetztenden damaligen Rechtsverteidiger Marc Pfertzel wild gestikulierend wieder zurück auf seine Position beorderte. Das Spiel ging damals sang und klanglos verloren, der VfL stieg wenige Wochen später ab. Ein kompaktes Abwehrspiel, angeführt von einem Defensiv-Leader wie es einst Thomas Zdebel war, der auch mal zur Grätsche ansetzte und das klassische VfL-Spiel wie kein anderer in den letzten zehn Jahren verkörperte, ist nicht vorhanden.

Ein weiterer Aspekt, dass es sowohl hierarchisch als auch koordinativ nicht stimmen kann im Team ist die Tatsache, dass Michael Ortega, erst zum zweiten mal in der Startelf und bislang mehr Ergänzungsspieler als Hoffnungsträger, sofort den Inui-Job hätte übernehmen sollen, sprich sich die Bälle hinten in der Abwehr abholen und im Idealfall auch noch vorne selsbt reinschießen. Dass diese Spielstrategie zum Scheitern verurteilt sein würde war früh zu erkennen, dennoch war Ortega, der defensiv zwar ein abenteuerliches Stellungsspiel an den Tag legte und Lukas Sinkieiwicz zu einer Menge doofer Fouls zwang, ein Lichtblick im Tristen, kalten, nur gut 8.500 Zuschauer beheimatenden Bochumer Stadion.

Liefen nur hinterher: Bochumer Spieler
Ebenfalls ein Grund, weshalb der VfL sein für Zweitligaverhältnisse zweifelsohne vorhandene spielerische Potential nicht abzurufen weiß, ist, dass Jens Todt zwar einen "spannenden, Fantasie anregenden Kader" zusammenstellen wollte, daran aber kläglich gescheitert ist. Die eklatante Schwäche auf der defensiven Außenbahn, alle drei verpflichteten Außenverteidiger (Rothenbach, Chaftar, Brügmann) verkörpern kein Profi-Niveau, ist ohne Zweifel ein gewaltiger Hemmschuh im Spielaufbau, der dadurch zu zentral und auf Bälle in die Tiefe fixiert ist.
Gegen den FSV erhielt Florian Brügmann mal wieder eine Chance auf der rechten Seite, konnte jedoch nicht beweisen, das niedrige Niveau Rothenbachs überbieten zu können. Der Hamburger Brügmann, von Coach Neitzel hoch geschätzt, war an diesem Abend hoffnungslos überfordert, spielerisch wie körperlich, und irrte bis zu seiner Einwechslung orientierungslos über das Feld. Auch wenn der Spieler bereits bessere Spiele absolviert hat (z.B. in Braunschweig) ist es mehr als fraglich, ob es für den Profifußball reichen wird. Trotz allem sollte der zumindest noch entwicklungsfähige Brügmann, so lange keine Alternative vorhanden ist, den Vorzug gegenüber Rothenbach erhalten, über den die Ankündigung seines Ex-Trainers Bergmann "Carsten wird dem Team gut tun" bei allem Respekt nur noch wie ein schlechter Aprilscherz zu werten ist.


Klassenunterschied in Liga 2

Bemüht und technisch versiert - taktisch verbesserungswürdig: M.Ortega
Der Spielfilm, der nach diesem erlebten Untergang der Mannschaft eher unwichtig ist, ist schnell erzählt. Die viel zu einfach und schnell an den Bochumer Strafraum gelangenden Gäste gingen durch einen schönen Fernschuss Nils Teixieras in der 1.Halbzeit in Führung. Der ehemalige Offenbacher, und sicherlich auch für den VfL erschwinglich gewesen, kam am Strafraumeck völlig unbehindert zum Abschluss. Der VfL war in der Abwehr zu sehr mit sich beschäftigt, Brügmann mit dem die ganze Saison stark aufspielenden Australier Leckie hoffnungslos - Marcel Maltritz zumindest gegen Verhoek im Kopfballspiel heillos - überfordert. Die Hoffnung, dass die zweite Halbzeit aus Bochumer Sicht freundlicher verlaufen könnte währte nur kurz. War man zumindest in Halbzeit eins nicht chancenlos und erspielte sich die ein oder andere Chance, wurde es trotz der offensichtlich notwendigen Wechsel von Aydin/Iasvhili und Rothenbach/Brügmann keineswegs besser. Das zweite Tor der mannschaftliche geschlossenen agierenden Hessen war Bochumer Slapstick pur, gefühlt fast eine Minute lang durften die rot gekleideten Gäste das runde Spielgerät rund um den Bochumer Strafraum führen, ehe Kapitän Maltritz in diesem von dem eigentlich nicht als Dribbelkünstler, aber hochtalentierten Yannick Stark wie ein Kreisligaspieler vernascht wurde(54.). Das Bochumer Abwehrverhalten hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht. Kurz erzählt sei noch das 0-3, eine einfache Flanke lässt Heerwagen - auch wenn es weh tut es zu schreiben - in fast gewohnter Manier fallen, Verhoek bedankte sich und machte nach einer Stunde den Sack zu. Danach agierte der VfL weiterhin zu konzeptlos um noch für eine Aufholjagd zu sorgen, FSV-Keeper Klandt schenkte Tasaka noch den Ehrentreffer, nachdem er eine abgefälschte Dedic Flanke völlig falsch berechnete(87.). Torwart Philipp Heerwagen, der wahrscheinlich in der kommenden Partie von Daniel Fernandes ersetzt werden wird, musste sich in der letzten halben Stunde wie schon einmal vor über zwei Jahren bei einer Heimniederlage gegen den FC Augsburg (0:2) sarkastisch frenetische Jubelstürme bei einfach zu fangenden Bällen über sich ergehen lassen. So unwürdig der Abschied auch sein mag: Heerwagens Zeit in Bochum ist längst abgelaufen.


Absolvierte wohl sein letztes Spiel für den VfL - P.Heerwagen
Der VfL Bochum, so gebeutelt wie nie, hat noch vier Pflichtspiele zu überstehen in diesem Kalenderjahr, ehe im Winter wieder ein Kaderumbruch, auf entsprechendem Niveau, stattfinden wird. Derzeit steht der Traditionsklub bei mageren 14 Punkten - nach 16 Spieltagen! Eine Bilanz, die selbst zu Erstligazeiten besorgniserregend gewesen wäre. Man spielt an der Castroper Straße eine zweite Saison ums Überleben - und muss dabei zusehen, wie Nachbarn wie Alemannia Aachen oder der MSV Duisburg auf der Intensivstation um deren Weiterbestehen kämpfen. Die Zielsetzung vor der Saison, man möchte Verfolger der Top-Teams sein, wurde deutlich verfehlt. Die eklatanten Fehleinschätzungen der Vereinsführung, die den Verein trotz harter Konkurrenz letztendlich in die jetzige Lage gebracht haben, wurden auch im Sommer weitergeführt. Es scheint, als wäre der Verein vor ein paar Jahren von einem Virus befallen worden, der sich irgendwo im Verein festgesetzt hat und resistent gegen jegliches Behandlungsmittel ist. Es dauert bereits viel zu lange, den VfL wieder gesund zu bekommen und wie viel Zeit noch bleiben wird steht in den Sternen. Auch das öffentliche Interesse an einer Genesung des VfL lässt nach: So wenig Zuschauer wie gegen Frankfurt suchten noch nie den Weg ins so wenig stimmungsvolle Ruhrstadion ein....





+++Der nächste Blog-Eintrag, nach der Partie gegen Union Berlin (1.12.12) beinhaltet eine ausführliche Bestandsaufnahme nach der vollständig gespielten Hinrunde 12/13.+++


Glück Auf!


VfL Bochum 1848 - FSV Frankfurt 1899   1:3 (0:1)

0-1 Teixiera 21.
0-2 Kapplani 54.
0-3 Verhoek 60.
1-3 Tasaka 87.


Heerwagen - Brügmann(46.Rothenbach), Maltritz, Acquistapace, Chaftar - Sinkiewicz - Goretzka, Tasaka - Ortega - Iashvili(46.Aydin), Dedic


Torschüsse: 9 - 16
Ballbesitz(%): 57 - 43
Zweikämpfe(%): 49 - 51
Ecken: 3 - 10
Fouls: 17 - 7
Abseits: 5 - 0
Zuschauer: 8.365

Alter der eingesetzten Spieler(Jahre): 27.0 - 25.4



Zitat des Tages: "Vor zwei Wochen war noch alles gut" - J.Todt, Vorstand Sport VfL Bochum 1848



Wissenswertes

Das 1:3 gegen den FSV Frankfurt war die erste Pflichtspielniederlage gegen diesen Gegner in der langen VfL-Geschichte. Alle vier Begegnungen zuvor konnte der VfL Bochum für sich entscheiden, ja sogar gelangen alle vier Siege ohne Gegentreffer. Nur einmal verlor man zuvor gegen die Bornheimer, in einem Testspiel Anfang 2009, noch als Bundesligist.
Kurios: Der letzt Sieg des VfL gegen den FSV im Dezember 2011 kostete dem damaligen Trainer Hans-Jürgen Boysen den Job. Boysen ist mittlerweile seit wenigen Tagen in der Verantwortung beim SV Sandhausen - die Kurpfälzer entliessen nach der 2:5 Klatsche gegen den VfL Bochum ihren langjährigen Chef Gerd Dais.


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